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31.07.23 | 10 min

Arbeitsbewilligungen für Fachkräfte aus Drittstaaten

Der Fachartikel von Dr. Julian Kläser behandelt das bewilligungsrechtliche Verfahren für Fachkräfte aus Drittstaaten in der Schweiz. Er beleuchtet die gesetzlichen Voraussetzungen und wichtige sozialversicherungsrechtliche Aspekte. Der Artikel gibt Schweizer Arbeitgebenden wertvolle Hinweise und betont die Bedeutung einer guten Planung bei der Anstellung.

Dr. Julian Kläser, Associate Partner bei Blum & Grob Rechtsanwälte AG | © Dr. Julian Kläser, Blum & Grob Rechtsanwälte AG

Fachkräftemangel in der Schweiz und die Anstellung von Drittstaatsangehörigen sind Themen von grosser Relevanz. Der Fachartikel von Dr. Julian Kläser, MLaw, Associate Partner bei Blum & Grob Rechtsanwälte AG, beleuchtet das bewilligungsrechtliche Verfahren für Fachkräfte aus Drittstaaten sowie die spezifischen gesetzlichen Voraussetzungen. Zudem werden wichtige sozialversicherungsrechtliche Aspekte behandelt. Der Artikel gibt Zentralschweizer Arbeitgebenden wertvolle Hinweise und zeigt, warum eine gute Planung bei der Anstellung von Drittstaatsangehörigen unerlässlich ist.

Arbeitsbewilligungen für Fachkräfte aus Drittstaaten – weshalb eine gute Planung angezeigt ist

«Schweizer Arbeitgebende, die auf Arbeitskräfte aus Drittstaaten zugreifen möchten, sind gut beraten, sich rechtzeitig mit dem Bewilligungsverfahren für Drittstaatsangehörige auseinanderzusetzen.»

1.    Hintergrund

Oftmals ist die Rede von Fachkräftemangel auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. In vielen Branchen fehlt laut diversen Statistiken (vgl. unter anderem «Fachkräftemangel Index Schweiz 2022») spezialisiertes Personal. Arbeitgebende rekrutieren daher in unterschiedlichen Berufsbranchen Fachkräfte auch aus dem Ausland. Ausländische Arbeitnehmende, die in der Schweiz eine berufliche Tätigkeit aufnehmen wollen, benötigen eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Während für Personen aus der Europäischen Union (EU) und den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), namentlich Island, Norwegen und Liechtenstein, die Personenfreizügigkeit nach dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU (FZA) Anwendung findet, wobei den Angehörigen aus diesen Staaten grundsätzlich eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird, richtet sich ein allfälliger Rechtsanspruch für Drittstaatsangehörige (Personen ausserhalb der EU und der EFTA) nach dem innerstaatlichen Schweizer Recht, dies bedeutet nach dem Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG). Drittstaatsangehörige können nicht ohne Weiteres in die Schweiz einreisen und hier eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Eine Arbeitsbewilligung wird Drittstaatsangehörigen nur dann gewährt, sofern diese die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Der vorliegende Beitrag stellt das bewilligungsrechtliche Verfahren für Drittstaatsangehörige sowie die spezifischen gesetzlichen Voraussetzungen vor und legt dar, worauf Schweizer Arbeitgebende bei der Anstellung von Drittstaatsangehörigen achten müssen. Ausserdem wird punktuell auf die wesentlichen sozialversicherungsrechtlichen Aspekte eingegangen.

2.    Das Bewilligungsverfahren

Die Bewilligung für einen Drittstaatsangehörigen ist vom Arbeitgebenden zu beantragen (Art. 11 Abs. 3 AIG). Auf Gesuche von Arbeitnehmenden kann dagegen nicht eingetreten werden. Es besteht generell kein Rechtsanspruch auf eine Bewilligung. Zuständig ist die kantonale Arbeitsmarktbehörde. Im Kanton Luzern ist dies das Amt für Migration Luzern (AMIGRA). Sofern die Voraussetzungen für eine Arbeitsbewilligung grundsätzlich erfüllt sind, erlässt das AMIGRA einen Vorentscheid (Arbeitsbewilligung). Der Vorentscheid wird an das Staatsekretariat für Migration (SEM) weitergeleitet. Sind die ausländerrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, ist eine Einreise möglich. Das Amt für Migration erlässt hierfür eine entsprechende Verfügung. Die zuständige Behörde informiert die Auslandvertretung zur Visumausstellung. Besteht keine Visumpflicht, dann stellt die zuständige Behörde der betroffenen Person auf Gesuch hin eine Zusicherung der Bewilligung aus. Nach der Einreise muss sich der Mitarbeitende innert 14 Tagen bei der Personenkontrolle seines Wohnorts anmelden. Er erhält sodann seine definitive Aufenthaltsbewilligung. Eine rechtswidrige Einreise sollte in jedem Fall vermieden werden. Diese könnte u.U. nämlich nicht nur zu strafrechtlichen Konsequenzen für den betroffenen Arbeitnehmenden führen, sondern zugleich auch für dessen Arbeitgebenden (vgl. Art. 115 f. AIG).
 

2.1    Besondere Voraussetzungen

2.1.1    Gesamtwirtschaftliches Interesse.
Die Zulassung eines Arbeitnehmenden aus einem Drittstaat muss dem gesamtwirtschaftlichen Interesse der Schweiz entsprechen (Art. 18 lit. a AIG). Insbesondere müssen die jeweilige Arbeitsmarktsituation als auch eine künftige, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung berücksichtigt werden. Eine spezifische Gesuchsbegründung ist in diesem Zusammenhang zwingend.

2.1.2    Stellenmeldepflicht
Ausserdem schreibt das innerstaatliche Recht eine Stellenmeldepflicht vor (vgl. Art. 21a AIG). Arbeitgebende sind verpflichtet, offene Stellen in Berufsarten mit einer schweizweit über 5% liegenden Arbeitslosigkeit der öffentlichen Arbeitsvermittlung zu melden. Das Staatssekretariat für Volkswirtschaft (Seco) veröffentlicht hierzu in regelmässigen Abständen eine aktuelle Übersicht mit den meldepflichtigen Berufsarten, bei denen der Schwellenwert über 5% beträgt. Der Nachweis der erfolgten Stellenmeldung ist in den betroffenen Berufsarten dem Bewilligungsgesuch beizulegen.

2.1.3    Inländervorrang
Eine weitere Hürde ist der sogenannte Inländervorrang. Dieser ist in Art. 21 AIG geregelt. Demnach können Arbeitnehmende aus Drittstaaten nur angestellt werden, wenn weder inländische Arbeitskräfte noch Arbeitnehmende aus dem EU/EFTA-Raum für den schweizerischen Arbeitsmarkt rekrutiert werden können. Als inländische Arbeitskräfte gelten Personen, welche in der Schweiz einen geregelten Aufenthalt haben und zum Arbeitsmarkt zugelassen sind. Belege, die durch den Gesuchsteller vorzubringen sind, wonach der Inländervorrang tatsächlich gewahrt wurde, können die (i.) Ausschreibung der Stelle bei einem der regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) sein, (ii.) Stelleninserate in Print- oder Online-Medien oder eine (ii.) Bewerberliste mit detaillierten Angaben (Nationalität, Ausbildung/Qualifikation, Datum der Bewerbung und Ablehnungsgrund). In Berufsarten mit ausgeprägtem Fachkräftemangel kann dagegen auf eine Ausschreibung, detaillierte Stelleninserate sowie Kandidatenlisten verzichtet werden. Die Darlegung des Mangelberufes obliegt dabei der gesuchstellenden Person. Seit dem 1. Februar 2023 gibt es diesbezüglich eine entsprechende Weisung des SEM, womit die gesetzlich festgelegte Nachweiserbringung für gewisse Branchen erleichtert wurde. Dieser Weisung folgend muss lediglich der Nachweis erbracht werden, dass es sich um einen Mangelberuf handelt bzw. ein enger Arbeitsmarkt vorliegt. Es genügt hier, wenn dies beispielsweise mit einer Studie oder einem Bericht des Seco belegt werden kann.

2.1.4    Lohn- und Arbeitsbedingungen
Art. 22 AIG bezweckt die Gleichbehandlung der ausländischen und inländischen Arbeitnehmenden. Der Arbeitgebende hat der Arbeitsmarktbehörde Auskunft über die Dauer der Erwerbstätigkeit, die Anstellungsbedingungen und die Entlöhnung zu erteilen. Der Arbeitsvertrag muss aktuell und inhaltlich vollständig sein. Den orts- und branchenüblichen Bedingungen ist zu entsprechen.

2.1.5    Persönliche Voraussetzungen
Drittstaatsangehörige können grundsätzlich nur zu einer Erwerbstätigkeit zugelassen werden, wenn es sich bei ihnen um Führungskräfte, Spezialisten oder andere qualifizierte Arbeitskräfte handelt (Art. 23 Abs. 1 AIG). Die beruflichen Qualifikationen müssen mit der auszuübenden Tätigkeit übereinstimmen. Zu diesem Zweck sind u.a. die Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse sowie der Lebenslauf der Person vorzulegen.
Es können auch qualifizierte Personen mit besonderen beruflichen Kenntnissen bzw. Fähigkeiten oder unentbehrliche Fachkräfte zugelassen werden (vgl. Art. 23 Abs. 3 lit. c AIG). Dabei ist nicht zwingend ein Hochschulabschluss erforderlich. Nachzuweisen ist mindestens ein Berufsbildungsabschluss oder eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung. Unqualifizierte Arbeitnehmende oder Hilfskräfte erfüllen die Anforderungen gestützt auf Art. 23 ff. AIG nicht.

2.1.6    Kontingente
Sofern die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Bewilligung nur dann erteilt werden, falls die durch den Bundesrat festgelegten jährlichen Kontingente nicht bereits ausgeschöpft wurden. Für 2023 bedeutet dies, gemäss der revidierten Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE), dass 8’500 qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten rekrutiert werden können. Für erwerbstätige Staatsangehörige aus dem Vereinigten Königreich gelten zusätzliche Sonder-Kontingente. Infolge des Austritts des Vereinigten Königreichs (UK) aus der EU findet seit dem 1. Januar 2021 bekanntlich das FZA keine Anwendung mehr für UK-Staatsgehörige. UK- Staatsangehörige, die in der Schweiz arbeiten möchten, sind seit dem 1. Januar 2021 ausländerrechtlich grundsätzlich Drittstaatsangehörigen gleichgestellt.

2.1.7    Bewilligungen
Drittstaatsangehörige, die zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz zugelassen wurden, erhalten entweder eine Kurzaufenthaltsbewilligung (sog. L-Bewilligung). Diese ist unterjährig. Anderenfalls kann ihnen auch eine B-Bewilligung erteilt werden, die im Regelfall für die Dauer von 1 Jahr befristet ist. Die Kategorie der zugesprochenen Bewilligung ist typischerweise abhängig davon, ob es sich um einen befristeten Arbeitsvertrag oder einen unbefristeten Arbeitsvertrag handelt. Die vorgenannten Bewilligungsarten stellen zugleich Arbeits- als auch Aufenthaltsbewilligung dar. Das Bewilligungsgesuch bezieht sich generell auf eine spezifizierte Tätigkeit. Folgerichtig wäre die Annahme, dass für einen Stellen- und Berufswechsel grundsätzlich eine neue Bewilligung zu beantragen ist. Dies trifft insbesondere auf Kurzaufenthaltsbewilligungen zu (vgl. Art. 38 Abs. 1 AIG). Bei einer Aufenthaltsbewilligung ist ein Stellenwechsel jedoch ohne erneutes Gesuch bewilligungsfrei möglich (vgl. Art. 38 Abs. 2 AIG), sofern die Bewilligung nicht ausdrücklich mit einer arbeitsmarktrechtlichen Auflage oder an eine bestimme Stelle geknüpft wurde.

3.    Sozialversicherungsrechtliches 

Innerhalb der Schweiz ist für die Sozialversicherung die Ausgleichskasse am Sitz des Arbeitgebers zuständig. Die Schweiz hat mit einer Vielzahl von Staaten Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Grundsätzlich gilt nach diesen Abkommen, dass Arbeitnehmende nur dem Sozialversicherungsrecht eines Staates unterliegen können. Arbeitnehmende sind in der Regel dem Sozialversicherungsregime des Staates unterstellt, in dem sie ihre Arbeitstätigkeit physisch ausüben. Es gilt generell das Erwerbsortsprinzip. Bei Nichtvertragsstaaten ist die sozialversicherungsrechtliche Situation jedoch mit besonderem Augenmerk zu prüfen. Die Sozialversicherungspflicht ergibt sich aus Art. 1 a Abs. 1 lit. a und lit. b AHVG. Es sind grundsätzlich alle Personen, die in der Schweiz wohnen und/oder in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben, versichert. Neben der Sozialversicherungspflicht in der Schweiz können unter Umständen auch Abgaben im Herkunftsland des Drittstaatsangehörigen zu leisten sein. Nachteile können sich für Drittstaatsangehörige auch beim Verlassen der Schweiz ergeben, da ein Drittstaatsangehöriger ohne Sozialversicherungsabkommen beim definitiven Verlassen der Schweiz keinen Anspruch mehr auf schweizerische AHV-/IV- Renten hat.

Fazit

Schweizer Arbeitgebende, die auf Arbeitskräfte aus Drittstaaten zugreifen möchten, sind gut beraten, sich rechtzeitig mit dem Bewilligungsverfahren für Drittstaatsangehörige auseinanderzusetzen. In der Praxis ist es allerdings häufig so, dass die ersten Gespräche mit den potenziellen Kandidaten für eine zu besetzende Stelle schon früher geführt und sich die Parteien über die vertraglichen Konditionen bereits einig geworden sind. Das böse Erwachen ist in solchen Fällen manchmal vorprogrammiert. Denn wie im vorliegenden Beitrag aufgezeigt wurde, ist die Anstellung von Drittstaatsangehörigen nicht so ohne Weiteres möglich und an teilweise restriktive Bedingungen geknüpft. Das gesamte Verfahren ab Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bis zur Ausstellung der Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung dauert erfahrungsgemäss in der Regel 5 bis 9 Wochen. Für die Erstellung des Gesuches und die Aufbereitung der relevanten Dokumentation ist gleichermassen genügend Zeit einzuplanen. Arbeitgebende sollten von Beginn an auf professionelle rechtliche Beratung zurückgreifen. Das gesamte Bewilligungsverfahren kann so effizienter durchlaufen werden und die Chancen auf einen positiven Ausgang des Verfahrens stehen sicherlich besser. Andererseits ist es auch denkbar, dass ein Gesuch gar nicht erst erstellt und von einer Anstellung eines Drittstaatsangehörigen gänzlich abgesehen wird, wenn sich im Rahmen einer individuellen vorgängigen rechtlichen Fallanalyse herausstellt, dass die bewilligungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
 

Autor:
Dr. Julian Kläser, MLaw, Associate Partner, Blum & Grob Rechtsanwälte AG
j.klaeser@blumgrob.ch ¦ www.blumgrob.ch

Der Originaltext wurde dank der Unterstützung von AMIGRA Luzern an die spezifischen Gegebenheiten des Kantons Luzern angepasst.

Mathias Lischer | © Wirtschaftsförderung Luzern

Mathias Lischer
Leiter Promotion & Ansiedlung

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